Mo | Di | Mi | Do | Fr | Sa | So |
1 | 2 | 3 | 4 | 5 | 6 | 7 |
8 | 9 | 10 | 11 | 12 | 13 | 14 |
15 | 16 | 17 | 18 | 19 | 20 | 21 |
22 | 23 | 24 | 25 | 26 | 27 | 28 |
29 | 30 | 31 |
![]() |
![]() |
Vorwort | |
Es gab in der Bundesrepublik nach dem II. Weltkrieg keinen anderen Stadtteil, dessen Ruf bis zur Jahrtausendwende so negativ durch Presseberichterstattung und amtliche Diskriminierung bestimmt wurde, wie der des Münchner Hasenbergls. An diesem "Rufmord" des Stadtteils Hasenbergl und ihrer Bewohner waren sowohl lokale als auch überregionale, Tages- und Wochenzeitungen, Zeitschriften, Fernsehsender, Behörden und Institutionen beteiligt. Hauptursache war die Übertragung des ungerechtfertigt schlechten Rufes des "Lager Frauenholz" aus der Zeit nach 1953 sowie davor des DP-Lagers Schleißheim (Feldmoching) (DP = Displaced Persons), der sich sowohl auf das Lager Frauenholz und später auf das Hasenbergl übertrug. Das führte u.a. dazu, dass sich die Bewohner des Viertels bei Nachfrage nach Ihrem Wohnort verleugneten und häufig Feldmoching als Wohnort angaben. Die politischen, behördlichen und Presseverantwortlichen von den 50er bis in die 90er Jahre haben diesen Zustand der Diskriminierung hingenommen und z.T. aktiv befördert. |
Trotz anderslautender Fakten stand die Sensationslust der Presse und die Unwissenheit aber auch Profilsucht mancher Beamten und Politiker im Vordergrund. Die Politik stand damals diesem "Phänomen Hasenbergl" hilflos gegenüber. Die bei Festreden vielseits beschworene "liberalitas Bavarie" wurde hier zur "Hure", die Solidarität der Stadtgesellschaft war per se aufgekündigt. Aber: Zu oft wurde vergessen, dass der Bau des Hasenbergls dem politischen Ziel folgte, für kinderreiche Familien und "sozial Schwache" bezahlbaren Wohnraum zu schaffen. Diese Tatsache sollte ebenfalls bei der Beurteilung der Großsiedlung "Am Hasenbergl" nicht vergessen werden. Trotzdem: Das Hasenbergl war und ist für die Bewohner immer auch Heimat und ein lebens- und liebenswertes Stadtviertel. |
Das Hasenbergl | |
Geologisch gesehen ist das Hasenbergl die einzige Erhebung in der Münchner Schotterebene. Etwa 8 Meter hoch reichte es von der heutigen Dülfer- bis zur Aschenbrennerstraße. Für die Feldmochinger Kinder war das Hasenbergl vor seiner Bebauung im Winter Ski- und Schlittenberg. Östlich wurde es durch die Linkstraße und westlich durch die Petrarcastraße begrenzt. Die Geschichte des Hasenbergls ist aber sehr viel ![]() |
![]() Im 19. Jh. gab es gegenüber dem heutigen "Lichtblickhaus" eine Schinderhütte ("Abdecker") mit Gaststätte, die um 1890 zum Wirtshaus Abdecker wurde. Später hatte die Wirtsfamilie Flaucher den Betrieb übernommen. Etwa ab 1920 existierte eine Gärtnerei und Baumschule. In der Weimarer Republik wurde das Gebiet als Truppenübungs- und Exerzierplatz der Reichswehr genutzt. Mit Einrichtung der fliegertechnischen Schule auf dem Flugplatz Schleißheim, entstanden ab 1939 die Unterkunftsbaracken des späteren DP-Lagers Schleißheim (Feldmoching) und des Lagers Frauenholz. Während des II. Weltkrieges befand sich die Flakstellung 4/457 Hasenberg zwischen der Schleißheimer- / Weitl,- und Ittlingerstraße (heute nördöstlich des "Einkaufszentrums". 4) Eine Gasbefüllungsanlage für Flugabwehrzeppeline aus dem 1. Weltkrieg (1914 - 1918) befand sich bis zum Bau der drei Punkthochhäuser auf dem Hasenbergl. Nach dem II. Weltkrieg hielten die US-Streitkräfte das Gebiet bis 1953 besetzt, danach diente es bis 1959 der US-Army und der Bundeswehr zu militärischen Übungszwecken. |
Die Wohnungssituation nach 1945 | |
![]() |
Dasein in menschenunwürdigen Notwohnungen, Behelfsunterkünften, Gartenlauben oder Kellerwohnungen. 6) Um diesen Wohnungsproblemen Herr zu werden, reiste eine Abordnung des Münchner Stadtrates nach Bonn, um mit Bundesbauminister Lücke Lösungswege zu diskutieren. Grundlegend war zu entscheiden, ob man die Wohnungsnot in München über eine Trabantenstadt oder eine Stadtrandsiedlung lösen wollte. Man war sich zunächst im Münchner Stadtrat nicht sicher, ob eine Trabantenstadt die Lösung der Wohnungsprobleme sicherte, entschied sich aber letzlich aus Kostengründen das Hasenbergl als Stadtrandsiedlung zu konzipieren. ![]() |
Selbsthilfesiedlung am Hasenbergl | |
|
|
Großwohnanlage "Am Hasenbergl" | |
Ende der 1950er Jahre warteten in München noch immer über 80.000 Familien und Geringverdiener auf bezahlbaren Wohnraum. Etwa 70.000 Wohnungen fehlten. Die Wartezeit auf eine Sozialwohnung in München betrug 1958 durchschnittlich 5 - 7 Jahre. Schon damals hatten Familien mit mehr als drei Kindern kaum Chancen auf dem ![]() ![]() |
![]() "Stadtrandsiedlung". Im ersten Bauabschnitt (1960 - 1965) sollten zunächst Sozialwohnungen für kinderreiche Familien und Menschen mit geringem Einkommen, in einem zweiten (1965 - 1968) Wohnungen für Beamte und Angestellte gebaut werden. Der Maximalmietpreis pro m² sollte bei 1,50 DM liegen und auch für Geringverdiener erschwinglich bleiben. Bund; Land und Stadt sollten durch Bereitstellung zinsgünstiger Darlehen mithelfen, die Mieten möglichst gering zu halten.Insgesamt wurde die Stammsiedlung Hasenbergl in zwei Bauabschnitten erstellt, die man als südlich und nördlich der Dülferstraße unterteilen kann. 10) |
Die Bauabschnitte | |
Die Architekten Ernst Maria Lang, Helmut von Werz, Christian Ottow und Fritz Focke übernahmen für den ersten und zweiten Bauabschnitt der Siedlung die städtebauliche Gesamtplanung. Sie hatten sich vorher im Ausland Vorbilder angesehen. So war Ottow u.a. in Zürich und London gewesen und besuchte auch die Vororte Farsta und Vällingby in Schweden. Für die Planung der Grünanlagen konnte Fritz Reich gewonnen werden, der bereits die Parkstadt Bogenhausen entworfen hatte. 12) Ottow und Focke hatten bereits beim Bau der | "Parkstadt Bogenhausen" mitgearbeitet. Die Großsiedlung sollte in zwei Bauabschnitten erstellt werden.Der erste Bauabschnitt umfasste das Gebiet von der heutigen Dülferstraße nach Norden, der zweite Bauabschnitt das Gebiet südlich der Dülferstraße zwischen Reschreiter- und Ittlinger- bis zur Weitlstraße. Der dritte Bauabschnitt erfolgte von 1965 - 1967 und umfasst grob das Gebiet südlich der Dülfer- bis zur Gundermannstraße sowie Rainfarn- und Riemerschmidstraße (Hasenbergl-Süd). |
Neue Standards im sozialen Wohnungsbau | |
![]() Es ist in erster Linie der Persönlichkeit des Architekten Ernst Maria Lang zu verdanken, das die Wohnstandards im Hasenbergl für die Nachkriegszeit im sozialen Wohnungebau Münchens neu definiert wurden. 13) Er konnte sich in den innerstädtischen Gremien mit seinen Vorstellungen durchsetzen. Die 1 bis 4 Zimmerwohnungen waren zwischen 30 und 90m² groß und erhielten als Grundausstattung:
![]() |
![]() Drei Volksschulen (Petrarca-, Paulcke- und Ittlingerschule), sowie ein Freizeitheim an der Dülferstraße, zwei Kindertagesstätten (Petrarca- und Paulckestraße) und eine Mütterberatungsstelle, die an die Petrarcaschule angegliedert war, schienen den Planern für die Bedürfnisse der Bewohner ausreichend zu sein. 2 Kirchen (katholisch und evangelisch) am Stanigplatz sollten die religiösen Bedürfnisse der Anwohner zufriedenstellen. Desweiteren entstand eine Großtankstelle mit KfZ-Service an der Dülferstraße. Postamt, Bankfilialen und andere Versorgungseinrichtungen waren im ersten Bauabschnitt auf fünf "Einkaufszentren" verteilt:
Ein im Prospekt der Neuen Heimat und in der Planung noch skizziertes Lichtspieltheater, das neben dem Einkaufszentrum an der Aschenbrennerstraße entstehen sollte, wurde nie gebaut, die Ansiedelung von Handwerksbetrieben in einem Handwerkerhof in der Max-Müllner-Straße war ebenfalls geplant, ist aber nie zur Ausführung gelangt. 15) Bis 1965 errichteten sieben gemeinnützige Wohnungsbaugesellschaften, darunter Neue Heimat, Südhausbau, GWG und evangelisches Siedlungswerk (ESW) die Wohnungen. Etwa 18.000 Menschen, davon 1/3 Kinder, fanden hier eine neue Heimat. Die "Stammsiedlung" Hasenbergl umfasste etwa 5.600 Wohnungen, 50 Eigenheime und bestand zu 99% aus Sozialwohnungen. Vom 15.- 18.7.1965 wurde die Fertigstellung der Siedlung am Hasenbergl mit einem "Übergabefest" auf der Dülferwiese gefeiert. Der damals amtierende BA-Vorsitzende Rudolf Kühnel hatte innerhalb einer Woche eigens für die Bewohner auf der Panzerwiese ein Bürgerfest organisiert. |
Erste Warnzeichen | |
![]() |
Ein 6-Personenhaushalt (2 Erwachsene und 4 Kinder) bewohnte 85 m² Wohnraum. In den gleichen Wohnungen wohnten aber auch oft 8 - 10 Personen. |
Hasenbergl-Nord | |
Das "städtische Wohnlager Frauenholz" diente seit dem Erwerb 1953 durch die Stadt München als Unterkunft für obdachlose Münchner. In diesem Wohnlager lebten bis zu 3.500 Menschen in Holz- und Steinbaracken, davon über die Hälfte Kinder. Die überwiegende Anzahl der vom Wohnungsamt eingewiesenen Bewohner des Frauenholz waren Zwangsgeräumt. § 31 des Mietrechts erlaubte die Zwangsräumung der Wohnung bereits bei Zahlungsverzug der Miete. 1953 waren in München etwa 7.000 Räumungsklagen anhängig. Am 11.07.1964 beschloß der Stadtrat die Auflösung des Lagers. Bis zum August 1964 wurden 310 Übergangsheime mit einfachen Wohnungen erstellt. Die Bautätigkeit dauerte bis zum Jahre 1971 an. "Faktoren, die zur Obdachlosigkeit führen, liegen wesentlich in wirtschaftlichen und sozialen, als gesellschaftlichen Rahmenbedingungen: Niedrige berufliche Qualifikation, geringes Einkommen, Boden- und Mietrecht, Sanierungspolitik etc ... Abweichendes Verhalten ist in der Regel keine Ursache von Obdachlosigkeit sondern Resultat der Lebensbedingungen, denen Obdachlose in den Unterkünften ausgesetzt sind." 19) |
![]() |
Hasenbergl Süd | |
Im Süden wurde entlang von Rainfarnstraße, Riemerschmidstraße, Eduard-Spranger-Straße und Eberwurzstraße von der Neuen Heimat Bayern im 3. Bauabschnitt von 1965 bis 1968 die Wohnanlage Hasenbergl-Süd errichtet. Viele der rund 1.800 Wohnungen waren für Beamte mit niedrigem Einkommen bestimmt. Die Versorgung wurde mit dem Ladenzentrum Weitl-/ Ecke Rainfarnstraße sichergestellt. Dort befand sich u.a. eine Gaststätte, REWE-Markt, Zeitungsladen, Friseur und Bäckerei. Mit der Kirche St. Matthäus sollten die religiösen, mit der Eduard-Spranger-Schule die schulischen Bedürfnisse abgedeckt werden. In diesem Bereich wurde 1973 das Augustinum München Nord an der Weitlstraße mit öffentlich zugänglichem Theatersaal, Cafe und Schwimmbad erbaut. Daneben entstand an der Rainfarnstraße das Heilpädagogische Centrum Augustinum sowie eine Schule zur Förderung von geistig Behinderten. Architekten waren u.a. Ernst Hürlimann, Gordon Ludwig, Sepp Pogadl, Franz Raab und Hans Walter. 20) |
![]() |
Fehlplanungen und Mängel | |
Schulunterricht in der Petrarcaschule Die Menschen fühlten sich mit Ihren Problemen alleingelassen. Man war zwar Luftlinie nur 9 Kilometer vom Stadtzentrum entfernt, benötigte aber mit Bus und Straßenbahn für diese Entfernung Anfangs 1 Stunde Fahrzeit. In jedem Falle war man per Fahrrad, Auto oder Moped und manchmal auch zu Fuß schneller am Ziel. Nach dem Ausbau der Linie 8 dauert eine Fahrt zum Stachus im Regelfall immer noch 50 Minuten. |
Die bekannten Zahlen hätten bereits die Politik alarmieren müssen. Doch nichts geschah. Im Hasenbergl hatte sich Ende der 60er Jahre die Stadtpolitik von der Wirklichkeit entkoppelt. Die junge Bevölkerung stimmte deshalb mit den Füßen ab! Die zu diesem Zeitpunkt immer noch chaotische Schulpolitik ging ausschließlich zu Lasten der Kinder der Abschlußjahrgänge zwischen 1961 und 1975. Hinzu kam die Stigmatisierung des Viertels durch die Berichterstattung einer von Sensationslust getriebenen Presse. Das Hasenbergl wurde bis Ende der 70er Jahre mit Kriminalität und "Asozialität" stigmatisiert. |
Die Kirchen | |
Einen gewichtigen Betrag zum sozialen Leben leisteten und leisten die Kirchen. Aus dem Geist der Ökumene heraus wurden 1961 die evangelisch-lutherische Evangeliumskirche und die katholische Nikolauskirche zusammen am Stanigplatz errichtet. Das dichte Netz sozialer Einrichtungen und Hilfen ist vor allem dem "Sozialen Beratungsdienst am Hasenbergl e.V"., jetzt Diakonie München Nord, zu verdanken. Eine Gruppe von sieben Personen unter der "Anführerschaft" von Pfarrer Otto Steiner entwickelte den ehrenamtlich tätigen "sozialen Beratungsdienst der Evangeliumskirche am Hasenbergl e.V.", der am 1. April 1964 gegründet wurde. Doch der Verein will sich zu Beginn nicht recht entwickeln und schreibt im 1. Jahr 1.700 Mark Verlust. Erst nach einer größeren Werbeaktion des Dekanatsbesucherdienstes kann der Verein 200 neue Mitglieder gewinnen und entwickelt sich. Die Berater trafen sich jeden Freitag im Gemeindesaal, um den Fragen der Bewohner Antwort zu geben. Mit in der ersten Stunde dabei waren Rolf Witzel (Wohnungsangelegenheiten), Wilhelm Wagner (Entschädigung, Renten- und Krankenversicherung, Lohsteuerfragen), Walter Mai (Arbeits- und Sozialfragen), Werner Adolph (Arbeitsrecht, Lastenausgleich, Weiterbildung), Helmut Mächler (Schulberatung und Suchthilfe), Erich Richter ("Hilfe in allen |
Lebenslagen"), Erich Wolfgardt (Wohngeld, Beihilfe, Rentenversicherung) und Hubert Schleiermacher (Sozialhilferecht). 25) Letztgenannter erkannte die Bedeutung des 1961 verabschiedeten Bundessozialhilfegesetzes, das den Kirchen und Wohlfahrtsverbänden Vorrang vor staatlicher und kommunaler Hilfe (Subsidiaritätsprinzip) eingeräumt hatte. 26)![]() |
Das Entwicklungskonzept Hasenbergl | |
Nach wie vor fehlten Einzelhandelsgeschäfte und Handwerksbetriebe. Um grundlegende Bedürfnisse zu decken, war für die Bewohner bis 2008 immer noch eine Fahrt in das Olympiaeinkaufszentrum oder in den Euro-Industriepark notwendig. Ende der siebziger Jahre hatte im Hasenbergl vor allem durch die Jugend eine Abstimmung mit Füßen stattgefunden. Zwis |
#